Review: Solidarität

Dieser Beitrag stellt eine Besprechung des von Natascha Strobl verfassten Buchs ›Solidarität‹ dar, das in der Reihe ›Übermorgen‹ im Verlag Kremayr & Scheriau im März 2023 erschienen ist.

Review

Strobl, Natascha: Solidarität. Wien: Kremayr & Scheriau, 2023.

Im Angesicht multipler Krisen und unter dem unmittelbaren Eindruck der Corona-Pandemie bietet Strobls Buch eine Zeitdiagnose und die Perspektive für eine politische Intervention zugleich. Der sich ausbreitenden Hoffnungslosigkeit unserer Zeit versucht sie „ein Plädoyer für Mut und Zuversicht“ (S. 10) entgegenzustellen.

Dieses Plädoyer beginnt mit einer auf Deutschland und Österreich eingegrenzte Rekonstruktion der politischen und sozialen Zusammenhänge, die zur aktuellen Krisenlage geführt haben: Energiekrise, Inflation, Krieg in der Ukraine, Pandemie, Klimakrise. Die zur Normalität gewordene Krisenhaftigkeit versucht Strobl nicht in ihren Ursachen nachzuzeichnen, sondern stattdessen vielmehr die langwierige politische Tatenlosigkeit und Normalisierung der Krisenhaftigkeit zu verdeutlichen.

Der Fokus der ersten Hälfte des Buchs liegt demnach auf einer Analyse der autoritären und neoliberalen Krisenbewältigung, die in den vergangenen Jahrzehnten durch eine diskursive Verschiebung nach Rechts und eine damit folgende Radikalisierung des Konservatismus neue hegemoniale Verhältnisse erzeugt hat. Es komme zu neuen Lagerbildungen, zu Zusammenschlüssen der politischen Mitte mit rechten Gruppen und damit zu folgender Weggabelung der Krisenbewältigung:

„Unwahrscheinliche Allianzen sind ein entscheidender Teil der Krisennormalität. Neben den unterschiedlichen Zugängen in verschiedenen politischen Lagern besteht der Kontrast vor allem im Umgang mit den Krisen an sich. Die Bewahrer:innen glauben daran, dass man die Zeit zurückdrehen kann und dass die Gegenwart nur eine unerfreuliche Episode ist. Die Überwinder:innen haben erkannt, dass die Möglichkeitsfenster so offen stehen wie nie. 30 Jahre Neoliberalismus haben vermeintlich gezeigt, dass Politik ohnehin nichts verändern kann. Dieses enge Korsett hat sich in Luft aufgelöst. Die Veränderung kann allerdings autoritär geschehen – oder auch nur den gesellschaftspolitischen Bereich betreffen, während in der Art des Wirtschaftens alles gleich bleibt. Oder aber die Veränderung geschieht solidarisch und im Zusammenspiel von Gesellschaft und Wirtschaft. Dieser verändernde, solidarische Pol ist bis jetzt noch eine Leerstelle, die es zu füllen gilt.“ S. 37f.

Strobl plädiert für den letztgenannten dritten Weg, nämlich ein solidarisches ökonomisches und soziales Miteinander, das progressive Zusammenschlüsse und politischen Einsatz erfordert, in dem Kulturkampf und Klassenkampf zusammengedacht werden.

Der dritte, solidarische Weg stellt sich gegen die zunehmend offen autoritären Zeugnisse, nicht nur der Rechten, sondern auch der Konservativen, auf die multiplen Krisen unserer Zeit durch Feindbilder, Spaltung, Gewalt und einer Verhärtung von Klassenunterschieden zu antworten. Das Problem, dass progressive Kräfte in ihren Differenzierungsbemühungen zur Fragmentierung tendieren, muss im dritten Weg eines solidarischen Zusammenschlusses überwunden werden. Damit plädiert Strobl dafür, dass die Lage in Zeiten der multiplen Krisen zu ernst sei, als dass wir eine sonst gutzuheißende Differenzierungsbereitschaft im Kampf gegen den Autoritarismus zum Hindernis werden lassen.

Strobl zeigt auf, wie eine solidarische Klammer zustande kommen kann und führt zum Abschluss des Buchs zahlreiche Beispiele von Organisationen, Politiker*innen und Verbänden an, die in diesem Sinne bereits heute agieren. Zwar bleiben nach der Lektüre zahlreiche analytische Fragen offen, doch handelt es sich nichtsdestotrotz um ein wegweisendes Buch, das Hoffnung in finsteren Zeiten macht.

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