Review: Ideen, die die Welt veränderten

Dieser Beitrag widmet sich einer Besprechung des Buchs ›Ideen, die die Welt veränderten. Die bedeutendsten Bücher der Geistesgeschichte‹ von Adam Ferner und Chris Meyns, das im Haupt-Verlag im Oktober 2021 erschienen ist.

Review

Adam, Ferner; Meyns, Chris: Ideen, die die Welt veränderten. Die bedeutendsten Bücher der Geistesgeschichte. Susanne, Schmidt-Wussow (Üb.). Bern: Haupt Verlag, 2021.

Adam Ferner und Chris Meyns gelingt in ihrem reich bebilderten Sachbuch mit dem Titel Ideen, die die Welt veränderten ein mitreißender Querschnitt durch die Geschichte der menschlichen Kultur. In sieben Kapiteln breiten sie eine Chronologie der Ideen von etwa 3000 v.u.Z. bis in die Moderne aus, die sie spannend zu erzählen wissen.

Letzteres zeigt sich darin, dass in diesem Buch nicht bloß eine Wiederholung lexikalischer Aufzählung stattfindet. Ferner und Meyns vermeiden den Kurs einer bereits unzählige Male verfassten Auflistung der üblichen Verdächtigen ergänzt durch generische Beschreibungen. Stattdessen bieten sie einen neuen Blick, der an eine Kritik der Geschichtsschreibung anknüpft.

Die gelungene Einführung macht dies deutlich. Dort findet man nicht das für Sachbücher im enzyklopädischen Stil übliche Geplänkel zum Aufwärmen, sondern zur Abwechslung einen erfrischend selbstkritischen Start.

Grundsätzlich ist an generischen Auflistungen zur Geschichte der Ideen und Kultur nichts falsch, doch die Praxis zeigt allzu oft, dass sie ihren eigenen Kontext übergehen und blind für den Prozess der historischen Entstehung sind, der sie überhaupt erst möglich gemacht hat.

Man mag Philosophie oder etwas ähnliches studiert haben und doch werden viele die meisten der im Buch erwähnten Ideen, vor allem aber die Texte und Personen, die sie geformt haben, nicht wiedererkennen können. Dies hat zentral mit einer kolonial-imperialistischen Ideen- und Geschichtsschreibung zu tun, die zur Beantwortung der Fragen ›Was ist Philosophie?‹, ›Was sind klassische Werke?‹ und ›Was ist für die Geschichte der menschlichen Kultur bedeutend?‹ klare Antworten vorgegeben haben:

„Als europäische Autoren mit europäischem Bildungshintergrund sind wir darauf trainiert (ohne uns dessen immer bewusst zu sein), die Philosophiegeschichte aus einem sehr spezifischen und lokalen Blickwinkel zu betrachten. In unserer Ausbildung hörten wir, dass unsere Geschichte weder spezifisch noch lokal ist, sondern aus einem Guss und unabhängig. Wir bekamen eurozentrische Literaturlisten und Einführungstexte vorgelegt, die das Bild der Philosophie als Abfolge «großer Werke» von «großen Männern» (typischerweise europäisch und typischerweise als «weiß» eingestuft) untermauern. Unsere «Klassiker» spiegeln das wider, was Peter Linebaugh «Philhellenismus» nennt, die Liebe zur hellenistischen Kultur: Sokrates, Platon und Aristoteles stehen dabei ganz weit oben. Das ist kein Zufall.“ (S. 8)

Mit ihrem breiten Querschnitt durch die großen globalen Epochen und ihre kulturellen Errungenschaften von der mesopotamischen Proto-Keilschrift über die arabische Kalligraphie, vedische, buddhistische und ruistische Schriftrollen bis zu den Texten zeitgenössischer Autor*innen gelingt Ferner und Meyns eine Korrektur westlicher Scheuklappen-Philosophie.

Sie zeigen die Entstehung großer Ideen nicht nur in ihrem global vielfältigen Kontext, sondern betonen immer wieder auch die allzu oft missachtete und vergessene Rolle von Denkerinnen, darunter zum Beispiel Pesechet, Sappho, Theano von Kroton, Hipparchia von Maroneia und viele weitere.

Es ist gewissermaßen die These des Buch, dass die historischen Ehrenhallen der Philosophie „Orte der Herrschaft und des Widerstands“ (S.9) sind und dort Werke vor allem aus soziopolitischen Gründen im Gedächtnis verweilen. Mit ihren reich bebilderten Darstellungen untermauert von gezielten Beschreibungen der jeweiligen Ideen, Werke und Personen verdeutlichen sie diesen Standpunkt.

Auch scheuen sie nicht davor zurück in den Bildbeschreibungen immer wieder deutlich zu machen, dass unzählige Artefakte nur durch imperiale Raubzüge in Museen des Westens gelangt sind und die Kulturleistungen anderer Zeiten und Völker vor allem im 18., 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als ›primitiv‹ denunziert wurden.

Es ist höchste Zeit, dass wir diese Fehler in der Erinnerung und Erzählung der Geschichte menschlicher Kultur endgültig anerkennen und zu ihrer Auflösung beitragen. Mit diesem Buch gelingt hierfür der erste Schritt auf der Ebene individueller Bildung, indem es uns einen einmaligen, kritischen und umfassenden Einblick in die Ideengeschichte ermöglicht.

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