Wie stehen die Faszination mit Wundervölkern und Kolonialismus in Verbindung?

Bereits in der griechischen Antike war die Vorstellung verbreitet, dass an den Rändern der bekannten Welt eine Vielzahl an Völkern leben, die verschiedene körperliche Anomalien aufweisen – Menschen mit Hundeköpfen, Menschen mit einem dritten Bein usw.

Diese imaginierten Völker dienten in Erzählungen und Berichten oft als Kontrastfolie, um die eigene Identität und Überlegenheit hervorzuheben. Die Imagination von Wundervölkern bildet in Europa ein kulturelles Sediment, das besonders in der frühen Neuzeit durch die (aus europäischer Sicht) Entdeckung der Amerikas auflebte und sich auch in den Reiseberichten von Christoph Kolumbus niederschlug.

Indem Kolumbus die ersten ihm begegneten Indigenen Amerikas anhand dessen beschreibt, was er aus ihren Reden glaubt verstanden zu haben, projizierte er auf sie die seit der Antike überlieferten Bilder der hundsköpfigen und einäugigen ›Anderen‹, die weiter im Landesinneren anzutreffen seien [1].

Der Einfluss präformierter Vorstellungen über das Fremde am Rande der eigenen bekannten Welt weitete sich in eine gezielte Suche von Wundervölkern aus, die in der klassischen griechischen Mythologie, dem Werk Naturalis historia von Plinius und im europäischen Mittelalter vor allem durch die Alexanderromane konstruiert und reproduziert wurden. Obzwar diese Wundervölker nie gefunden wurden, blieb die Suche nach einem Vergleichsschema für die ›entdeckten‹ indigenen Gesellschaften bestehen.

Die Praxis, mithilfe von Bildererfindungen zu versuchen, die eigene Imagination des Exotischen auszudrücken, hat eine lange künstlerische Tradition. In der Schedelschen Weltchronik von 1493 aus Nürnberg finden sich 21 Holzschnitte (Folium XII) zu im ›Fernen Osten‹ lebenden Völkern, „darunter ein Einäugler, ein kopfloser Blemmyer, ein Antipode mit rückwärts gerichteten Füßen, ein Skiapode mit nur einem Fuß und ein Panotier mit flügelartig herabhängenden Ohren, daneben mehräugige, sechsarmige, gehörnte, behufte und behaarte Wesen, Mischgestalten beiderlei Geschlechts oder Mischwesen aus Mensch und Tier wie die Kynokephalen, hundsköpfige Wesen in Menschengestalt, Kentauren und Kranichmenschen, deren Kopf einem langen, gebogenen Hals aufsitzt und in einem gewaltigen Schnabel endet.“ [2]

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