Überwindung des Eurozentrismus – Philosophie in Afrika!

In der 26. Episode des Podcasts ›Philosophie im 21. Jahrhundert‹ spricht Philosophin Anke Graneß u. a. über interkulturelle Philosophie und Philosophien in Afrika. Dieses Thema liegt mir am Herzen, da es die Notwendigkeit eines Umdenkens der klassischen Philosophiegeschichtsschreibung verdeutlicht.

Die Wiederherstellung vorkolonialer Ideen der Philosophien in Afrika

Die Perspektiven aus der interkulturellen Philosophie decken zum Ersten auf, dass zur Philosophie noch viel mehr gehört als die abendländische Philosophie.

Zum Zweiten brechen sie die politischen, sozialen, ideologischen etc. Strukturen auf, die den machtgeladenen Diskurs in der Philosophie seit jeher zugunsten des Westens bestimmen. Graneß steigt mit diesem Aspekt in ihr neuestes Buch Philosophie in Afrika Herausforderungen einer globalen Philosophiegeschichte ein:

„Afrika wird in diesem Buch als Paradigma herangezogen, um die bisher überwiegend eurozentrische Philosophiegeschichtsschreibung unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts zu überdenken, zu kritisieren und zu kontextualisieren. Dass dafür auf die spezifische Problemlage und auf ausgewählte Beispiele eines Kontinents zurückgegriffen wird, der in der Philosophie der Gegenwart kaum eine Rolle spielt und in der Philosophiegeschichtsschreibung der letzten 200 Jahre keine Beachtung fand, mag verwundern. Afrika eröffnet jedoch als Forschungsfeld auf einer philosophiehistorischen Metaebene grundlegende methodische Fragen und Probleme, denen sich eine Philosophiegeschichtsschreibung in globaler Perspektive heute stellen muss, so die Hauptthese der vorliegenden Arbeit.“ [1]

Die Wiege der Philosophie, so schien es immer zu sein, liegt im antiken Griechenland. Mit der europäischen Aufklärung entstand auch der Gedanke, dass es in der Philosophie eine Art Fortschritt geben müsse, eine Entwicklung des Geistes zu immer reiferen Ideen.

Entsprechend hat z. B. der Theologe Christoph August Heumann zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Geschichte der abendländischen Philosophie mit dem Aufwachsen des Menschen gleichgesetzt: Im antiken Griechenland sei das Denken kindisch gewesen, mit der Neuzeit aber zur Reife gelangt – eine Metapher, die zu dieser Zeit weit verbreitet war.

Der Philosoph Franz Martin Wimmer hat in seiner Einführung in die Interkulturelle Philosophie eine schöne Zusammenfassung der Idee einer Philosophie als historischen Gegenstand abgefasst.

Mit Hegel habe sich die Idee eines Fortschritts im Denken und eine Vorherrschaft der abendländischen Tradition gefestigt [2]. Afrikaner*innen sprach er das Vermögen der Rationalität ab; die chinesische Tradition brachte ihm zufolge keine Philosophie hervor. Überzeugungen wie diese begünstigten die Kolonialisierung Afrikas und Asiens, nicht nur in der Wissenschaft und Philosophie.

Eine zentrale Arbeit afrikanischer Philosoph*innen ist es daher, die durch den Kolonialismus unterdrückten und zerstörten, vorkolonialen Ideen und Konzepte wiederherzustellen. Im Podcast werden u. a. zwei Philosophen erwähnt, die genau dieses Projekt vorantreiben:

Michael Eze lehrt an der Universität Leiden zu afrikanischer und komparativer Philosophie. In seinem Buch ›Intellectual History in Contemporary South Africa‹ (2010) rekonstruiert er die Entstehung der Idee des Ubuntu, die für die gesamte historische Erzählung Südafrikas eine zentrale Rolle einnimmt.

Der Philosoph Mogobe Ramose argumentiert in seinem Aufsatz ›The struggle for reason in Africa‹ (1998) dafür, dass die westliche Philosophie sich der Bandbreite anderer philosophischer Traditionen außerhalb Europas öffnen müsse. Auch er entwickelt das Konzept des Ubuntu als ein Kernelement afrikanischer Philosophien.

Mir bleibt zu wünschen, dass die Voraussetzung der interkulturellen Philosophie zur Voraussetzung der institutionalisierten Philosophie überhaupt wird: Der Einbezug anderer kultureller Hintergründe in einen gleichberechtigten Austausch auf Augenhöhe:

„Es geht also darum, wirklich in einen Diskurs einzutreten, der auch zu Veränderung der eigenen Perspektive führt und insofern über ein reines Nebeneinanderstellen hinausgeht. Sondern es geht eigentlich um ein Arbeiten, ein gemeinsames Arbeiten an Begriffen, an Konzepten und für mich ist dafür ein sehr schönes Beispiel diese ganzen Debatten um Fragen globaler Gerechtigkeit. Ich denke, Diskurse um globale Gerechtigkeit, die außereuropäische Denker und Denkerinnen überhaupt nicht mit berücksichtigen, sind ein Problem. Gerade ein Konzept globaler Gerechtigkeit müsste natürlich durch einen interkulturellen Ansatz letztendlich geprägt sein.“ Anke Graneß zur Frage interkulturellen Philosophierens.

Quellen

[1] Graneß, Anke: Philosophie in Afrika Herausforderungen einer globalen Philosophiegeschichte. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 2023, S. 9.

[2] Vgl.: Wimmer, Franz Martin: Interkulturelle Philosophie. Wien: WUV, 2004, S. 126.

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